„Ökonomische Nachhaltigkeit? Von meinen Kunstwerken kann ich das von den meisten sagen, aber mein Chippendale Tisch, den ich vor 15 Jahren für 1.200€ gekauft habe, ist heute nur noch 700€ wert.“ Alexander V., Essen.
Alex hat recht. Die Preise für antike Möbel sind seit den letzten 15 Jahren im Sinkflug ins Wellental. Inklusive Wertverlusten von teilweise bis zu 50%, wenn man zu Hochpreiszeiten gekauft hat. Wie alle ökonomischen Prozesse unterliegen auch Antiquitäten Zyklen mit Hoch- und Niedrigpreisphasen.
Bevor wir näher hierauf zu sprechen kommen, kurz mal die Frage nach der Alternative gestellt:
Ein Tisch mit ähnlicher Funktion vom großen Schweden oder ähnlichen Möbelhäusern. Vor 15 Jahren für 1.000€ gekauft. Wenn er heute überhaupt noch existiert, hoffen die Besitzer ihn bei Ebay-Kleinanzeigen unter der Rubrik „zu verschenken“ loszuwerden, um sich die Kosten für den Sperrmüll zu sparen. Wertverlust: 100%
Wie ist es zu den Preisverlusten bei Antiquitäten gekommen? Schauen wir nochmal zurück auf die Schlagzeilen der späten Neunziger und frühen Nullerjahre: „Deutschland der kranke Mann Europas“, dann 2008 die Lehmann-Krise. Hinzu kamen die HartzIV Reformen. Zum einem waren die Zeiten finanziell angespannt in der Mittelklasse, zum anderen gab es nun zumeist Gutscheine für die Erstausstattung und anderen notwendigen Bedarf, der dann sogar oft im Sozialkaufhaus eingelöst wird. Damit ist der Markt für das untere Level von gebrauchten und teils antiken Möbeln fast vollständig weggebrochen. Und wenn die Basis wegbricht, wackelt alles darüber und fängt ach an zu rutschen.
So kommt es, dass man heute handwerklich qualitativ gute Möbelstücke aus der ersten Hälfte des 20.Jh. sogar schon für einen 2-stelligen Betrag kaufen kann. Und wir sprechen hier über ein Möbelstück, das handwerklich so gut gemacht ist, das eine Familie darauf tanzen kann und trotzdem hält es noch weitere mindestens 50Jahre. Gepaart mit der ökologischen Nachhaltigkeit sind es hauptsächlich diese beiden Gründe, warum heute langsam die jüngere Generation wieder ältere Möbel kauft.
In England ist man da schon ein Stück weiter. Sothebys geht davon aus, dass 2025 die Millenials bereits die größte Käufergruppe im High-End Bereich der Luxusantiquitäten sein werden und 2035 die Generattion Z. Dies liegt aber auch an der cleveren Strategie von Sothebys, die frühzeitig die junge Generation dort abgeholt hat, wo sie zuhause ist: im Netz. Unterstützt durch Erstbieterauktionen, hat diese Generation gelernt, dass sie mit Antiquitäten nicht nur ökologisch handelt und selber Geld einspart, sondern auch eine Menge an Individualität, Stil, Authentizität und Ausgefallenheit gewinnt.
Deutschlands Antiquare werden dagegen mit einer geballten Menge an Erfahrung betrieben. Die durchschnittliche Betriebsdauer eines Eigentümers sind 35 Jahre. Diesem riesen Plus an Erfahrung steht jedoch ein Mangel an Innovation im eigenen Geschäftsfeld gegenüber. Es wurde verpasst die junge Generation im Netz abzuholen. Für den deutschen Normalbürger unter 40 Jahren ist der Gang in ein Antiquitätengeschäft noch die absolute Ausnahme. Und oft mit Vorurteilen behaftet. Eines davon, dass Antiquitäten überteuert sind, stimmt derzeit definitiv nicht. Es ist eher davon auszugehen, dass wir das Wellental des ökonomischen Zyklus erreicht haben und die alten Stücke wieder mehr Wertschätzung erfahren.
Dank einer neuen Generation, die auf nachhaltige Investitionen setzt, statt Wegwerfmentalität.
Constantin Weiffen, Aurich